Pacaipampa

Letztes Wochenende bin ich mit vier Mitarbeitern von Cepicafé nach Pacaipampa gefahren, wo sie einen Workshop zum Thema Düngemittel für Kaffeepflanzen gemacht haben. Sie fragen mich, ob ich mitkommen möchte – „Ja, gerne, wann geht es los?“ – „Freitag Abend gegen 20Uhr.“ Um 18Uhr wird mir gesagt, dass es zu knapp wird, wir werden also planmäßig erst nachts um 1Uhr losfahren. Freitag um 22Uhr werde ich angerufen, dass es später wird, wir treffen uns am Samstag um 10Uhr morgens im Büro von Cepicafé. Okay, kein Problem. Ich gehe morgens um 10Uhr ins Büro – „Schlechte Neuigkeiten. Das Auto und der Fahrer sind noch nicht da, wir fahren erst um 14Uhr los.“ Ich nutze die Zeit, um ein paar Mails zu schreiben und spontan mit meinen Eltern zu skypen. Um 15Uhr sitzen wir endlich im Toyota Hilux und fahren los. Geduld und Gelassenheit sind zwei Sachen, die ich hier definitiv gelernt habe. Ich habe vor kurzem in meinen Sachen eine Karte gefunden, die mir aus dem Herzen spricht: „Gelassenheit ist, wenn man sich nicht über Sachen aufregt, die man eh nicht ändern kann.“

Auf geht’s nach Pacaipampa, wo der Name Programm ist… Nach einer Stunde ist die asphaltierte Straße zu Ende und die Anden türmen sich vor uns auf. Mit durchschnittlich 30km/h kriechen wir die Berge hinauf, die Straße ist…sagen wir „uneben“ und ich fühle mich wie in einer Waschmaschine im Schleudergang. Und das vier Stunden lang;-)!

Zwischendurch machen wir einen Stopp in Santo Domingo, wo das jährliche Stadtfest stattfindet. Paco, der Chef des Rechnungswesens bei Cepicafé, empfängt uns und schon haben wir jeder ein Riesen-Brötchen mit Marmelade in der Hand und das Bier macht die Runde. Nein sagen geht nicht, das wäre unhöflich. 2 Stunden und 1 Kasten Bier (=12x660ml Flaschen) später fahren wir weiter, Berg rauf und runter. Ich werde müde und frage mich im Nachhinein, wie ich bei der holprigen Straße doch tatsächlich einschlafen konnte. Vielleicht liegt es auch an den vier Männern im Auto, die außerhalb des Büros komischerweise sofort in einen für mich schwer verständlichen „ich-komm-vom-Land-Slang“ verfallen und die sich ununterbrochen Anekdoten erzählen, die zu 95% von Ehe- und anderen Frauen, Fußball oder Bier handeln…

Um 23.30Uhr kommen wir an, ich überlege noch kurz, ob ich schnell unter die Dusche springe, bin aber schnell sicher, dass das Bett mich lauter ruft und verschiebe den Duschgang auf den kommenden Morgen. Ein Blick auf mein Handy sagt mir, dass wir so weit weg von allem sind, dass ich noch nicht einmal Handyempfang habe. Ein paar Stunden später, um 5.30Uhr klingelt der Wecker, ich schlurfe müde ins Bad – und merke, es gibt kein Wasser. Okay, hat sich die kalte Morgendusche also auch erledigt. Um 6 Uhr fahren wir los nach Livin, in das Dorf, wo der Workshop stattfindet. Bevor wir ankommen, wird noch angehalten, um zu frühstücken: Brot gibt es nicht und während die anderen gierig ihren Reis und Rindersteak verschlingen, würge ich mir Pommes mit Ei runter. Warmes, deftiges Essen  zum Frühstück ist hier normal, aber ich krieg es einfach nicht runter.

Der Workshop ist super interessant! Es geht darum, den Produzenten ein paar zur organischen Produktion akzeptierte „Rezepte“ zu geben, die sie günstig, einfach und schnell selbst zubereiten können, um die Kaffeepflanzen zu düngen bzw. vor Schädlingen und Insektenzeugs zu schützen. Ich kam mir dabei vor wie in Miraculix‘ Zauberküche. Man nehme 2kg von XY und füge 600g Trallala hinzu, rühre das Ganze rund 40 Minuten um, bis die Farbe sich von gelb nach rotweinrot geändert hat. Der magische-Zaubertrank-Touch rührte aber wohl auch daher, dass das Ganze in einem großen schwarzen Kessel über einem Holzfeuer draußen auf der Wiese zubereitet wurde. Für mich war es sehr interessant zu sehen, wie die bei Fairtrade vorgeschriebene technische Assistenz durchgeführt wurde. Bei Fairtrade geht es ja nicht nur darum, bessere Löhne zu zahlen, sondern auch darum, dass die Produzenten durch Fachpersonal (sprich: Agrarwissenschaftler) geschult und betreut werden, sie günstige Kredite bekommen, mit der Fairtrade-Prämie gemeinschaftliche oder sonstige Projekte auf die Beine stellen und keine Kinder auf den Feldern arbeiten.

Essenstechnisch wurden wir wieder viel zu gut versorgt. Um 11Uhr gab es Trockenfleisch, Reis und Kochbananen. Um 13Uhr stand wieder ein Teller mit Hühnchen, Reis und Yuca vor mir. Leise flüstere ich Fernando zu, dass ich doch eigentlich pappsatt bin und nix essen kann. Er sagt es mir nicht direkt, aber durch sein eindringliches Lächeln und der Aussage „Na, ein bisschen schaffst du doch.“ wird mir klar, dass ich nicht ablehnen DARF, weil es unhöflich wäre. Ich bin also satt für die nächsten zwei Tage (wobei die anderen vier abends um 22Uhr sich wieder Reis, Fleisch und Bohnen gönnen…). Um 14Uhr, nachdem Cepi noch einen Überblick über Buchhaltung und Einstiegs- / Zertifizierungsmöglichkeiten für neue Produzenten gegeben hat, kehren wir nach Pacaipampa zurück. Dort wartet das nächste Fest auf uns: Auf dem Plaza de Armas wird Volleyball gespielt, Cumbia-Klänge schallen von allen Seiten und das Bier lässt auch nicht lange auf sich warten;-). In der Hinsicht werde ich trainiert sein, wenn ich zurück komme.

Um 20Uhr machen wir uns auf den Weg nach Piura und nehmen noch eine junge Frau und ihr Baby mit. Da sie schlecht 5 Stunden hinten auf der Ablagefläche des Jeeps und auch nur ungerne eng neben einem Mann sitzen kann, einigen wir uns, dass ich mich vorne mit ihr auf den Beifahrersitz hinsetze. Ich bekomme den „Ehrenplatz“: Die Handbremse mit einem Kissen gepolstert;-)! Wunderbar unbequeme 5 Stunden liegen vor mir. Erfreulicherweise bietet mir die Mutter nach einer Stunde an, dass wir die Plätze tauschen könnten. Höflicherweise lehne ich zuerst ab, aber als ich merke, dass sie darauf besteht, nehme ich es doch dankend an und habe dadurch den bequemsten Platz im ganzen Auto ergattert:-)!

Um 1Uhr nachts kommen wir in Piura an und ich falle todmüde ins Bett. Fazit: Toller und sehr interessanter Ausflug, allerdings anstrengende Fahrt und weit weg! Wahrscheinlich fahren wir im November nochmal hin:-)!

Was in Peru toll ist

–          Die Musik: Die Musik klingt immer sehr fröhlich, rhythmisch und einfach lebendig. Wenn man einmal auf den Text achtet, fällt zwar auf, dass in jedem zweiten Satz „corazón“ oder „amor“ vorkommt und die Lieder im Prinzip nur von verlorener Liebe und gebrochenen Herzen handelt, aber nun gut, ist halt so. Die beliebtesten Musikrichtungen sind Cumbia, San Juanera, Tropicales, Huaino oder Salsa und die zwei Gruppen, die rauf und runterlaufen sind „Corazón serrano“ und „Sensual Karicia“ (falls es mal jemand bei youtube suchen möchte;-)). Für mich klingt alles gleich (oder ähnlich), aber das darf ich nicht laut sagen;-). Hab auf jeden Fall schon meine Favoriten, die hier zwar IMMER gespielt werden, die ich aber auch immer wieder hören kann: „Lejos de ti“ (Weit weg von dir) und „El pañuelito“ (das kleine Taschentuch).

–          Alle können tanzen: Und mit alle meine ich alle! Sei es der kleine Dreikäsehoch, der gestern aus dem Pampersalter rausgekommen ist, bis hin zur 85jährigen, die elegant im schwarzen Kleid und Flip Flops (ALLE tragen hier Flip Flops) das Tanzbein schwingt (und dabei mehr Rhythmusgefühl zeigt als ich…). Alle können tanzen und alle wollen tanzen. Dabei tanzt man aber nie in einer Gruppe so wie bei uns, sondern immer paarweise. D.h. der Mann fordert die Frau zum tanzen auf. Und nein sagen darf man nicht…

–          Bier und Biertrinktraditionen: Bier ist ein ganz großes Thema in Peru (fast so groß wie Fußball). Ist nun „Cristal“ oder „Cusqueña“ das beste Bier? Und WIE trinkt man Bier hier? Bei uns hat jeder seine Flasche und manchmal ein Glas dazu. Hier ist’s anders: Es gibt 1 Bier (660ml) und 1 Glas für alle. D.h. man ist in einer Gruppe unterwegs, der erste hat die Flasche und das Glas und gießt sich ein bisschen ein. Er reicht die Flasche an den nächsten weiter, prostet ihm zu, trinkt sein Glas in einem Zug aus, kippt den Rest auf den Boden für Pachamama (Mutter Erde) und reicht das Glas weiter. So geht die Flasche durch die Runde und alle teilen sich die Flasche und das Glas. Wenn die Gruppe klein ist, wirkt das Bier natürlich schneller;-).

–          Parties: Die (Privat-)Parties laufen alle gleich ab. Zuerst sitzen alle brav in einer Art Stuhlkreis im (sonst leeren) Wohnzimmer, die Musik ist schon auf ohrenbetäubend eingestellt, aber noch bewegt sich keiner. Dann gibt es etwas zu essen, für jeden eine Riesenportion (mit  zu 99%) Hühnchen und Reis. Anschließend beginnt das Bier oder auch andere Getränke (Pisco, Coctéil (wird wirklich so geschrieben!)) seine Runde zu machen. Nach der dritten Runde stehen alle so nach und nach auf und es wird getanzt und getanzt und getanztJ…und das Bier wird weiter rumgereicht;-).

–          Die Sprache: Spanisch ist nicht gleich Spanisch! Nachdem ich ja schon 2007 ein halbes Jahr in Cajamarca (auch Peru!) war, dachte ich, dass mein Spanisch gar nicht so schlecht ist. Aber hier wird nochmal ganz anders gesprochen. An der Küste in Piura viel viel schneller und in Montero zwar langsamer (und sehr schön und deutlich), aber mit vielen anderen Ausdrücken. Ich glaube kaum, dass man in Spanien eine „chela“ (ein Bier) bestellen kann oder man morgens zur „chamba“ (Arbeit) geht. Und alles wird immer verniedlicht, d.h. es wird ein –ito oder –ita an das Wort gehängt. So gibt es papitas fritas (kleine Pommes) für den hijito (kleinen Sohn) und zum Abschied sagt man sich „Hasta lueguito“ (Bis baldchen?!). Mittlerweile bin ich drin und mein Spanisch kann sich ganz gut sehen lassen. Wobei ich immer noch Probleme habe, den Unterscheid zwischen „caro“ und „carro“ zu betonen, weil mein rollendes r dort anfängt zu streiken;-).

Was in Peru anstrengend ist

–          Die Taxifahrten von Piura nach Montero oder zurück: Normalerweise fahre ich mit einem Taxi-Colectivo, d.h. es ist ein fester Fahrer, der immer täglich die gleiche Strecke hin und zurück fährt. Ich rufe ihn an und frage, ob er für den nächsten Tag noch einen freien Platz hat. Dann werde ich dort abgeholt, wo ich bin und werde auch am Zielort dort abgesetzt, wo ich hinmöchte. 3 Stunden Fahrt, Kosten: 20 Soles. Klingt eigentlich nicht schlecht, funktioniert aber so nicht immer reibungslos. Die Taxifahrer kommen zu spät, zu früh (ja, das hat mich auch gewundert, dass das in Peru vorkommen kann) oder gar nicht. Wenn sie gar nicht kommen, ist es natürlich sehr ärgerlich. Noch ärgerlicher ist es aber, wenn man den Taxifahrer dann anruft und er entweder nicht antwortet oder sein Handy ausgeschaltet hat… Die Anzahl der Leute in einem Taxi variiert auch leicht. Mein Highlight war: der Fahrer und zwei Fahrgäste vorne (der Platz auf der Handbremse ist Standard und verdammt unbequem), vier Leute auf der Rückbank plus ein Kleinkind auf dem Schoß, viel (!) Gepäck und ein lebendiges Schwein im Kofferraum;-)!

–          Die Spinnen: Jetzt ist es nicht mehr ganz so schlimm, wie noch im Mai oder Juni, als die Regenzeit noch nicht vorbei war. Aber im Mai, als es noch geregnet hat, waren alle Strommasten voll mit Mega-Spinnnetzen und rund 30 Spinnen, die alle locker so groß wie ein Golfball waren und dick und schwarz… Hab jedes Mal eine Gänsehaut bekommen, wenn ich an so einem Spinnennetz vorbei oder drunter her gegangen bin. Mehr Spinnen gibt es in den Feldern. Und da ich ziemlich viel mit Kaffee, Zuckerrohr und Kakao zu tun habe, begegne ich auch dort den Spinnen. „Die tun doch nix. Nimm sie einfach in die Hand und setz sie woanders ab“, höre ich dann. Nee, nix da, von wegen in die Hand nehmen. Ich bin froh, dass ich mich beherrsche und nicht schreiend weglaufe (wobei ich wahrscheinlich nach 10m im nächsten Netz lande;-)…). Spinnen gehören also noch auf die Liste der Sachen, an die ich mich noch gewöhnen muss.

–          Das peruanische Fernsehprogramm: Dass ich kein ausgeprägter Fernsehjunkie bin, ist kein Geheimnis. Aber das Fernsehprogramm in Peru und die Fernsehvorlieben der Peruaner sind einfach grausam:

1. Telenovelas. Quasi unsere Soaps, nur noch schlechter. Alles handelt immer von lügen, betrügen, Geld und Sex. Nicht umsonst heißt eine Sendung „Sin tetas no hay paraíso“ (Ohne Titten gibt es kein Paradies)…

2. „wissenschaftliche“ Sendungen, die über Außerirdische berichten. So wurden die Nazca-Linien im Süden Perus und die Paläste und Tempel der Inka wohl von friedlichen Außerirdischen errichtet… Und Hitlers arische Rasse soll wohl auch von nem anderen Planeten gekommen sein. Aha!

–          Peruanische Unzuverlässigkeit: Wenn man rumreist, ist die peruanische mañana-Mentalität super angenehm. Das Leben ist relaxter, stressfreier und lockerer. Bei der Arbeit wünsche ich mir aber ab und zu ein bisschen mehr Organisation, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit (wenn sogar ICH das schon sage…). Z.B.: Wir sind in Montero abends um 18Uhr verabredet, um etwas für die Herberge zu besprechen. Um halb sieben rufe ich an. Keiner nimmt ab. Um sieben Uhr probiere ich es noch einmal und es geht jemand dran: „Oh es tut mir leid, ich habe das Taxi verpasst und bin noch in Piura.“ – ?!?!?! Warum zum Henker wird dann nicht Bescheid gesagt?? Mittlerweile wissen aber die meisten, was ich von dieser Unzuverlässigkeit halte. Sie sind dann nicht unbedingt pünktlicher, aber melden sich immerhin, wenn sie gar nicht oder erst später kommen können.

–          Mobile Obststände: Ungelogen: Morgens, um 6.30Uhr fährt fast jeden Morgen ein mobiler Obststand direkt an meinem Zimmerfenster vorbei. Dieser Verkäufer hat eine Art Fahrrad mit grooooßem Korb vorne, wo alles Mögliche drauf ist…zurzeit sind Orangen, Mango und Ananas sehr beliebt. Woher weiß ich das? Weil der gute Mann eine Tröte und ein Megaphon dabei hat, womit er lautstark sein Obst anpreist. Ich betone: Um 6.30Uhr regelmäßig morgens vor meinem Fenster!!

Was mich an Peru fasziniert

–        Das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier: In Montero hat jeder Haustiere. Jedoch nicht so wie bei uns, das süße Meerschweinchen, die unspektakuläre Schildkröte, der treue Hund. Sondern Tiere, die einen Nutzen haben: Der Hund passt auf das Haus auf, die Katze hält die Ratten fern, der Esel transportiert den Kaffee vom Feld zur Weiterverarbeitung, das Huhn legt Eier oder bekommt Küken, die alle irgendwann in der Pfanne landen. Und alle leben zusammen. Die Hühner laufen tagsüber durch den Garten und nachts kuscheln sie sich im Wohnzimmer hinter den lautstarken Fernseher und schlafen dort. Interessant war auch der Moment, wo ich unwissend in die Küche kam, wo gerade dem Hahn die Kehle durchgeschnitten wurde. Das Blut tropfte in die Schüssel („Ein sehr nahrhafter Teil.“) und der Körper zappelte noch…da hat das Stadtkind in mir kurz innerlich aufgeschrien. Ihn gab’s dann abends zum Geburtstagsessen, zusammen mit Reis und Gemüse aus dem Garten, lecker!

–          Kenntnisse über die Natur: Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich unwissend durch Montero laufe. Ich bin stolz darauf, dass ich mittlerweile weiß, wie Kaffee-, Zuckerrohr-, Kakao-, Papaya-, Limetten-, Mango-, Maracuja- und Kaktusfeigenpflanzen aussehen. Es gibt aber soooo viel mehr. Wenn wir einen Spaziergang durch die Gegend machen, sehe ich am Wegesrand Pflanzen, die für mich in die Kategorie Unkraut gehören. Dann wird mir aber erklärt, dass es gegen Magenbeschwerden hilft. Das Pflänzchen daneben ist gut für die Nieren und nebenan finden wir noch was gegen Grippe. Während ich immer noch auf Medikamente der Apotheke schwöre, halten viele Monterinos nicht viel davon und brauen sich ihren eigenen Tee. Als ich Anfang Juni einmal krank war, durfte ich eine solche Mischung mal probieren: Es war grau, trüb, mit Stückchen und roch nach einem Mix aus Heu und Panela…schmeckte auch so. Etwas skeptisch habe ich es getrunken…und am nächsten Morgen waren Fieber, Unwohlsein, Gliederschmerzen und Schüttelfrost wegJ!

–          Das Kälteempfinden: Wir sind hier in einer Region, in der es selten kälter als 15 Grad wird. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt eher bei 25 Grad. Somit ist für alle Piuraner alles, was unter 20 Grad ist, „kalt“ und dann wird sofort der dicke Pulli, Schal und lange Hose ausgepackt. Anscheinend habe ich mich schon zu sehr an die Wärme Piuras gewöhnt, denn auf der Reise durch Südperu und Lima mit blauem Himmel und Sonnenschein pur habe ich mich doch glatt erkältet. Die (interessante) Erklärung für das Entstehen meiner Erkältung meiner Gastmutter war: „Das kommt bestimmt vom kalten Bier und vom Joghurt, den du gestern gegessen hast.“ 😉

–          Wie fit alle Leute sind. In den Städten sind die Peruaner eher gemütlich und dementsprechend ein bisschen pummelig. In Montero hingegen arbeiten die Leute körperlich hart und sind dementsprechend drahtig durchtrainiert. Und sie haben eine bewundernswerte Kondition. Ob alt, ob jung, sie laufen die Berge zu den Feldern hoch, als ob es nur 400m im Stadion sind. Während ich fertig und schwitzend oben ankomme, hat der 80jährige schon den Esel beladen und ist bereit wieder nach unten zu laufen…

–          Sandbewässerung: In Piura wohne ich in einem Stadtviertel, in dem es keine asphaltierte Straße gibt, sondern nur Sand. Oft habe ich gesehen, wie morgens die Leute vor ihren Häusern stehen, mit einem Wasserschlauch in der Hand, und den Sand bewässern. Auf Nachfrage wurde mir erklärt, dass es gemacht wird, „para que no se levante el polvo“, damit der Staub nicht umherweht. Nun gut, aber bei der Hitze und der Sonne ist der Sand vielleicht ne dreiviertel Stunde nass und dann wieder staubig wie vorher. Das System hab ich also noch nicht ganz gecheckt.

–          Hausbau: In Deutschland baut jemand ein Haus oder kauft eine Wohnung nach dem Sinne „ganz oder gar nicht“. Hier baut man nach dem Motto „wir fangen mal an“. Das ist der Grund, warum überall halbfertige Häuser stehen. Z.B. meine Gastfamilie in Piura: Als sie vor 15 Jahren nach Piura kamen, haben sie das Grundstück und das „Haus“ gekauft. Es bestand aus zwei Räumen (Schlaf- und Wohnzimmer) und einem Bad. Die Küche war draußen, provisorisch. Immer, wenn durch die Arbeit oder durch die Ernte ein bisschen Geld übrig war, haben sie ein bisschen angebaut. Erst eine überdachte Küche, dann ein weiteres Schlafzimmer, dann ein Esszimmer, dann eine zweite Etage etc. Nach 15 Jahren ist das Haus riesig, es gibt eine Garage, große Küche, Wohnzimmer, Esszimmer, Flur, Waschraum, 6 Schlafzimmer, zwei Rumpelkammern und 4 Badezimmer. Eine weitere kleine Küche und ein Schlafzimmer werden zurzeit gebaut.

–          Tante Emma Läden: …in denen ALLES einzeln verkauft wird! EINE Rolle Klopapier, DREI Zigaretten… Das Gleiche ist in Apotheken: Du gehst in die Apotheke, beschreibst dein Problem und bekommst dann nicht eine Packung Paracetamol  oder ein Päckchen Pflaster in die Hand gedrückt, sondern zwei Tabletten oder 5 Pflaster, halt so viel, wie du brauchst! Gewöhnungsbedürftig, aber praktischJ!

–          Spitznamen: Bei uns bekommen Leute meist einen Spitznamen, der sich auf den eigentlichen Namen bezieht. Also entweder nimmt man einfach den Nachnamen oder der Vorname wird abgekürzt. Hier beziehen sich Spitznamen immer irgendwie auf das Äußere. Einer, der nur 1,60m groß ist, wird „Chato“ (Kleiner) genannt. Einer mit asiatischen Vorfahren, ist immer der „Chino“ (Chinese). Und ich mit heller Hautfarbe und grünen Augen, bin die „Gringa“, was eigentlich ein Ausdruck für die Amis ist, aber nun gut… Spitznamen mit Tieren kommen auch vor, so wurden mir schon „Mono“ (Affe) und „Pájaro“ (Vogel) vorgestellt.;-)…

–          Vegetarier: Fleischloses Essen gibt es in Peru nicht. Hühnchen mit Reis ist Standard, gerne auch mal morgens, mittags, abends (ja, auch morgens). Das Verständnis für Vegetarier lässt sich in einer Geschichte ganz gut erkennen: Wir sind in einem Restaurant und fragen die Kellnerin, ob sie auch ein vegetarisches Essen, also ohne Fleisch zubereiten können. Antwort: „Ja, kein Problem. Wir hätten da Hühnchen, Schwein oder Ente.“ 😉

Cerro Cuchaín

Cerro Cuchaín – das ist ein „Hügel“ bzw. für mich Berg in der Nähe von Montero. Wer genau auf die Idee kam, dort hinaufzuwandern weiß ich nicht genau. Auf jeden Fall kam von mehreren Seiten der Wunsch auf, eine Tour dahin zu machen und so ließ ich mich überreden, das Ganze zu organisieren. Was uns erwartete, wussten wir glaube ich selber nicht und es war schwierig, etwas Verlässliches über den Weg zu erfahren. Die Angaben reichten von „drei Stunden Autofahrt + zweieinhalb Stunden wandern“ bis „zwei Stunden Autofahrt + 4 Stunden wandern“. Peruaner haben es nicht so mit Zeitangaben, das ist mir bereits aufgefallen. Und wenn eine Zeit festgelegt wird, wird diese eh nicht eingehalten. Und auch wenn ich in der Heimat nicht als Pünktlichkeit in Person bekannt bin, muss ich sagen, dass die Unpünktlichkeit der Peruaner unschlagbar und sehr gewöhnungsbedürftig ist…

Nun ja, zurück zum Cerro Cuchaín. Wir fahren also auf einem vor kurzem erst getrocknetem Schlammweg (wie gesagt, die Regenzeit ist erst zwei bis drei Wochen vorbei) und nach einer halben Stunde heißt es Aussteigen. Anscheinend haben wir also die kurze-Fahrt-lange-Wanderung-Variante gewählt. Vorsichtig frage ich, wie lange wir denn laufen werden. Antwort: zweieinhalb Stunden. Frohen Mutes laufen wir los. Wir, das sind:

Jesse, ein Ami, der mit seiner Familie drei Wochen in Montero ist und alles sehen und kennenlernen möchte.

Alejandro, der einzige, der den Weg zum Cuchaín kennt und mehr Kondition hat als wir restlichen vier zusammen.

Ernesto, vom Centro Runa Peru, einem Behindertenzentrum in Montero.

Sarah, Physiotherapeutin aus England, die für 2 Monate ein Volontariat in Runa Peru macht.

Und ich.

Es geht nur hoch und ich finde es schon nach einer halben Stunde anstrengend. Ich bin aber auch etwas angeschlagen, habe zum zweiten Mal mit meinem Magen zu kämpfen. Nach einer Stunde geht es nicht weiter und Alejandro meint, der Weg würde links weiter gehen. Der Weg? Jetzt verstehe ich, warum er sagte, wir sollten Macheten mitnehmen. Es gibt keinen Weg. Zumindest keinen sichtbaren. Wir sind dieses Jahr die ersten, die nach der Regenzeit hinauflaufen und räumen uns alles frei, was uns den Weg versperrt. Naja, zumindest machen das Alejandro, Jesse und Ernesto – Sarah und ich haben hinterhergeputzt und das Kleinzeug sowie Äste & Co entfernt. Frei nach dem Motto „dritter Baum rechts, zweiter Busch links“ bahnen wir uns einen Weg durch den Urwald. Keine Ahnung, woran er sich orientiert, aber es funktioniert. Zwischendurch gabeln wir noch ein paar Heilblätter auf, die ich zwecks Magenprobleme abends als Tee zu mir nehmen soll…

Nach viereinhalb (!) Stunden kommen wir oben an und werden mit einem unglaublichen Ausblick belohnt!! Wir sind weit oben, über allem, sehen, wie die Wolken sich unter uns um die anderen Berge wickeln und sind selbst kurz in einer Wolke gefangen, bevor sie ganz fix weiterzieht. Alejandro packt Frauenparfum aus und sprüht es munter um sich – um die Wolken zu vertreiben. Er sagt, er glaubt nicht daran, ich auch nicht. Er tut es trotzdem und die Wolken verschwinden. Es gibt auch Inkaruinen dort oben, unter anderem eine Art Kalender: Ein halbquadratischer Stein mit einigen Kanälen, die in eine Art Minibrunnen führen. Dort sammelt sich das Regenwasser und bei Vollmond spiegelt sich der Mond in diesem Wasser und verrät etwas über die Erntezeiten. Etwas weiter unten (Richtung Abgrund) gibt es noch mehr solche Steine, aber meine Höhenangst siegt und ich bleibe brav in der für mich sicheren Zone.

Auch schön: Jesse, Ernesto, Sarah und ich kommen vollkommen ko, durstig und hungrig oben an und fangen erstmal mit einem kleinen Mittagssnack und 1l Wasser an. Alejandro hat nix dergleichen mitgebracht. Dafür aber ein tragbares Radio, so dass wir oben einfach mal Salsa- und Cumbiaklängen lauschen. In dieser für mich eigentlich recht mystischen Szene kommt es mir recht paradox vor, für Peruaner glaube ich ist es völlig normal. Musik gehört zum Leben dazu wie Atmen, Trinken oder Essen.

Nach anderthalb Stunden Ausruhen und genießen müssen wir wieder aufbrechen, um vor dem Dunkelwerden unten zu sein. Immerhin sind es dieses Mal nur drei Stunden und schließlich komme ich vollkommen ko, aber glücklich in der Albergue an und falle sofort ins Bett.  Buenas nochesJ, geschlafen habe ich in der Nacht unglaublich gut!

Montero

Montero ist eine andere Welt! Ich dachte eigentlich, dass ich Peru schon einigermaßen kenne, aber es ist etwas anderes als die Orte, die ich bisher gesehen habe.

Wie ist Montero? Montero ist ein kleines Dorf, ländlich, mit rund 8000 Einwohnern in einem kleinen Tal und drumherum ist alles (!) grün. Es ist wunderschön! Es liegt im Norden Perus, etwa eine halbe Stunde von der ecuadorianischen Grenze entfernt. Von Piura aus sind es rund 180km landeinwärts, oder auch 3 Stunden mit dem Auto. Die letzte halbe Stunde gibt es keine asphaltierte Straße mehr und der holprige Weg wird oft von Kühen oder Eseln besetzt, die trotz Hupen kein Interesse daran haben aufzustehen. Im Vergleich zu anderen Städten Perus ist Montero ziemlich sauber, es liegt wenig Müll herum und auch im Fluss befindet sich mehr Wasser als Abfall. Auch wenn das Dorf klein und übersichtlich ist, habe ich es am Anfang doch einmal geschafft mich zu verlaufen. Tja, Umwege erhöhen die Ortskenntnis und auf diese Weise habe ich noch ein paar Leute kennengelernt. Mittlerweile kenne ich Montero und Montero kennt mich. Nicht unbedingt meinen Namen, denn der ist hier unaussprechbar, aber ich bin oft da und viele Leute wissen, wer ich bin und was ich mache. In Montero kennt im Prinzip jeder jeden und alle unterstützen sich gegenseitig. Ein Großteil der Monterinos arbeitet in der Landwirtschaft, die Gegend hier eignet sich hervorragend, um Kaffee und Zuckerrohr anzubauen.

Zur Monteriner Tagesordnung gehören auch regelmäßige Stromausfälle. Woran es liegt, weiß ich nicht, aber quasi täglich fällt im ganzen Dorf für eine zeitlang der Strom aus. Tagsüber ist das nicht der Rede wert, aber da bereits gegen 18Uhr die Sonne untergeht und die Stromausfälle gerne in die dunkle Tageszeit fallen, sitzt man oft komplett im Dunkeln da. Man hört nur hier und da einen Hund, ein paar Grillen und die Truthahnfamilie, die im Garten wohnt. Gut, dass ich meine Stirnlampe dabei habe (ein großes Dankeschön in dem Zusammenhang wieder an meine Basketballmannschaft, die sie mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatJ). Neben Toilettenpapier ist sie mittlerweile fester Bestandteil meiner Handtasche. Ich teste zurzeit ihre Langlebigkeit und sie hat schon viele Stunden auf dem Buckel. Aber Stromausfälle sind hier kein Problem, es gehört irgendwie dazu, wobei es mittlerweile besser geworden ist.

Die Erntezeit für Kaffee ist zwischen Juni und September, jetzt ist also gerade Hocherntezeit und die Produzenten haben alle Hände voll zu tun. Der Kaffee wird in Montero geerntet und weiterverarbeitet, d.h. geschält, gesäubert und getrocknet. Anschließend wird er in Säcken verpackt und in die Fabrik von Cepicafe nach Piura gebracht. Dort wird er weiter gesäubert und die Schale wird entfernt. So wird er dann erneut verpackt und zum Export in den Hafen von Paita gebracht, der etwa 40 Minuten von Piura entfernt ist. Dort beginnt der lange Seeweg nach Europa, Japan oder in die USA, wo er von dem jeweiligen Importeur empfangen und weiterverarbeitet wird.

Aber zurück zu Montero. Wie schon erwähnt, ist Rohrzucker/Panela das zweite Produkt, das hier angebaut wird. Die Felder befinden sich im Umkreis des Dorfes und sind zu Fuß erreichbar. Die Erntezeit ist zwischen Mai und Dezember/Januar, hat sich aber aufgrund der starken und langen Regenfälle dieses Jahr verzögert, so dass vor rund drei Wochen erst mit der Ernte und Verarbeitung begonnen werden kann. Rohrzucker wird hier direkt in der Fabrik zu Panela weiter verarbeitet. Das läuft wie folgt ab: Zuerst wird das Zuckerrohr durch eine Pressmaschine gejagt. So wird der Rohrzuckersaft hinaus gepresst und läuft dann weiter in einen Behälter, wo er mit Filtern gesäubert wird. Anschließend wird er in drei Etappen erhitzt bzw. bei 200 Grad für einige Zeit gekocht. Dann kommt er in eine Art Wanne, wo er ständig umgerührt wird. Durch irgendeinen chemischen Prozess kristallisiert der flüssige Rohrzuckersaft und wird trocken und körnig – et voilà: Panela!  Es schmeckt ähnlich wie unser normal bekannter Zucker, aber längst nicht so süß, ist sehr gesund und komplett organisch. Es besteht nur aus Rohrzucker ohne weitere Zusatzstoffe. Lecker!

All das gehört auch zu meinem Tourismusprojekt, das von Fairtrade bzw. Cepicafe ausgeht. Man kann als Tourist also den ganzen Weg vom Zuckerrohr, Kaffee oder Kakao, über die Weiterverarbeitung bis hin zum Export kennenlernen. Ich finde es super interessant, denn wer kennt in unseren europäischen Gefilden schon eine Kaffee- oder Zuckerrohrpflanze?!?! Wir haben es jeden Tag morgens in der Frühstückstasse, haben aber keine Ahnung, wo es herkommt bzw. wie es angebaut wird. Ich kannte es vorher jedenfalls nicht. Mit Manuela de Rocco habe ich nun die letzten zwei Wochen eine Reportage darüber gemacht. Mit Kamera und Mikrofon bewaffnet haben wir Montero und alles, was mit Tourismus und Fairtrade zu tun hat, gefilmt und interviewt. Es hat sehr viel Spaß gemacht und wir haben vieles festgehalten und erlebt! Am Amüsantesten und zugleich Gewöhnungsbedürftigsten war dabei wohl unsere Hausspinne. Sie lebt eigentlich im Dach der Herberge, aber jeden Abend, wenn es dunkel wird, kommt sie raus, platziert sich an die gleiche Stelle an der Wand und wartet auf Beute. Sie ist groß, hat lange schwarze Beine und ist so weit oben, dass kein Schuh dran kommt. Wir haben sie Raymunda genannt. Alejandro sagte mir, dass die Spinnen nachts rauskommen und Leuten das Gesicht ablecken, wenn diese sich nicht gewaschen haben. Manuela fand die Geschichte nicht ganz so witzig wie ich… Ich glaube, dass es eine schöne Eltern-Erziehungs-Geschichte ist, damit die Kinder auch brav duschen und sich die Zähne putzen. So was wie bei uns in der Art: „Wenn du dein Essen nicht auf isst, gibt es morgen schlechtes Wetter“!

Über das Wetter müssen wir uns mittlerweile keine Gedanken machen. Der Regen hat aufgehört und das Wetter verspricht zurzeit viel Sonne und Wärme…auch wenn die Peruaner immer noch davon überzeugt sind, dass es doch Winter und recht frisch sei. Aber abwarten, Experten prophezeien für 2012 ein Niño-Jahr…mehr dazu ein anderes Mal.

Nun denn, viele Grüße aus dem für mich sehr warmen PeruJ!

Hasta luego!

Piura es bella

Piura es bella – steht auf der Brücke, die den Fluss Piura überquert und damit die Stadt von dem Distrikt Castilla trennt, in dem ich wohne. Piura ist schön, wenn auch anders!

Wie jede Stadt in Peru hat auch Piura eine wunderschöne Plaza de Armas! Das ist der Hauptplatz im Zentrum jeder Stadt, an dem sich abends das Leben abspielt. Historisch gesehen haben andere peruanische Städte mehr Erzählpotential, aber immerhin ist Piura Perus älteste (koloniale) Stadt! Die Spanier kamen zu Beginn des 16. Jahrhunderts vom Norden und haben sich hier an der Küste niedergelassen. Zwar wurde der Standort noch 2x geändert und ein bisschen ins Landesinnere verfrachtet, aber es ist und bleibt die älteste Stadt nach Ankunft der Spanier. Piura liegt etwa 40km von der Küste entfernt im Norden von Peru, rund vier Stunden von der ecuadorianischen Grenze entfernt. Ein Katzensprung für peruanische Verhältnisse, denn das Land ist riesig. Von hier bis zur Hauptstadt sind es rund 1000km oder auch 15 Stunden Busfahrt entlang der Panamericana an der Küste.

Eine Sache ist mir hier als Neuankömmling besonders aufgefallen: Die Hitze! Die Nähe zu Ecuador und dadurch auch zum Äquator beschert der Region Piura ein dauerhaft warmes Klima. Zwar wollen mir alle klar machen, dass hier im Moment Herbst ist und es schon „ziemlich frisch“ ist, aber ich denke, dass ich hier im absoluten Hochsommer gelandet bin. Woran merke ich das? Als bekennender Warmduscher stört es mich kein bisschen, dass wir hier nur kaltes Wasser haben. Das nutze ich dann auch gleich (mindestens) 2x pro Tag aus. Weiteres Zeichen der ausgiebigen Wärme sind die 2l Wasser, die ich täglich trinke und die 9 Paar Socken, die ich mitgebracht habe und noch unangetastet im Schrank liegen, während meine 2 Paar Flip Flops sich eine Pause wünschen.

Aber ich will mich nicht beschweren! Der immer noch unentschlossene Frühling in Luxemburg und Deutschland ist keine verlockende Alternative und mir gefällt die Wärme! Ich bin gespannt, wie der Winter wird (da wir unterhalb des Äquators sind, ist hier im europäischen Sommer Winter), denn die Kleidergeschäfte wappnen sich schon mit warmen Mänteln und hohen Stiefeln. Ich glaube, ich bin die einzige, die sich fragt, warum. In einer Stadt, in der es nie kälter wird als 20Grad, braucht man das doch nicht…

Aber wer weiß, Gevatter Klimawandel klopft auch hier an die Tür! Da ich über meine Arbeit in der Fairtrade Kooperative Cepicafe und über die Familie, bei der ich wohne, viel über Landwirtschaft und die Produkte dieser Region lerne, ist mir der Einfluss des voranschreitenden Klimawandels bereits aufgefallen. Normalerweise findet die Regenzeit in den bergigen Regionen Perus zwischen Oktober und März statt. Letztes Jahr hingegen hat es in dem Departamento Piura so gut wie gar nicht geregnet. Diese Dürreperiode schadete natürlich den Produzenten, deren Kaffee-, Kakao-, Rohrzucker- oder Obsternte deutlich magerer ausfiel als sonst. Dieses Jahr ist es genau umgekehrt – es hat viel zu viel geregnet. Besonders in den Anden, von wo das Wasser herunterkam und ganze Felder überschwemmte… Das Wetter spielt verrückt, da sind sich alle einig! Auch in Montero, wo mein Tourismus-Projekt stattfindet, macht sich dies deutlich bemerkbar. Montero lebt größtenteils von der Landwirtschaft und eignet sich hervorragend, um  Kaffee, Zuckerrohr und Kakao anzubauen. Da es aber immer noch ab und zu regnet, konnte noch nicht vollständig mit der Ernte begonnen werden, so dass sich die Weiterverarbeitung, der Verkauf und die Einnahmen natürlich verzögern…

Aber es gibt viiiiel mehr über Montero zu erzählen, das folgt dann in einem nächsten Bericht! Dann auch mit ein paar Fotos.

Prima Klima in Lima

Lima gefällt mir! Noch vor einer Woche war ich mir sicher, dass ich diese drei Wort nie über die Lippen bekommen würde, aber Lima hat anscheinend auch eine nette Seite. Das einzige, was ich vorher mit Perus Hauptstadt assoziierte, war Chaos, Lärm, Staus, noch mehr Lärm, grauer Himmel, krasse soziale Unterschiede und überteuerte Taxifahrten. Alle Sachen haben sich im Prinzip nicht groß geändert, aber in so manchem entdecke ich mittlerweile einen kleinen Charme:

Das Chaos ist natürlich geblieben, wie sollte es sich auch von jetzt auf gleich in Luft auflösen – aber zumindest verkehrstechnisch erkenne ich mittlerweile ein System darin. Der Lärm ist auch immer noch nicht zu unterschätzen, aber es würde keinen Sinn machen aus allen Autos die Hupe auszubauen – dann wäre es wahrscheinlich verwirrend ruhig… Staus, ja, die gibt es auch definitiv noch. Auch eine Sache, die sich nicht ändern wird, solange es in einer 8 Millionen Einwohner–Stadt keine U-Bahn gibt, dafür aber unzählige Bus- und Taxifahrer, die fahren, wie sie gerade lustig sind. Die krassen sozialen Unterschiede sind ein Aspekt, der von der Stadt als erstes in Angriff genommen werden sollte. Limas eine Seite liegt am Pazifik (natürlich die wohlhabenden Stadtteile), die andere Seite führt in die Wüste, wo sich nach und nach die armen Leute und die Migranten ansiedeln, die sich von Lima den Start in ein besseres Leben erhoffen. Der Rand von Lima ist also von spontanen Siedlungen mit Wellblechhütten bevölkert, den sogenannten pueblos jóvenes. Elektrizität und fließendes Wasser sind ein Luxus, der dort bislang noch nicht angekommen ist. Die Regierung hat zwei Möglichkeiten: Entweder vertreiben sie die Leute, die sich dort eh illegal angesiedelt haben (die Gebiete gehören dem Staat), was allerdings die Probleme nicht löst, da die Bewohner sich einfach 1km weiter nebenan wieder niederlassen. 2. Möglichkeit ist Unterstützung, sprich Aufbau einer Infrastruktur, Abwassersysteme, Wasser- und Stromversorgung etc. Da aber beide Möglichkeiten entweder im-Kreis-drehen oder hohe Kosten bedeuten, wird halt einfach nix gemacht. Und so wachsen und gedeihen die wohlhabenden Viertel (=Miraflores, San Isidro, Pueblo Libre, Barranco) und die pueblos jóvenes werden nicht weiter beachtet…

Zu den überteuerten Taxifahrten kann ich nicht viel sagen, weil ich dieses Mal nur 2x Taxi gefahren bin und sonst immer den öffentlichen Bus genommen habe! Genial, sage ich euch, das ist ein Spaß! Ich habe in meinem Hostel gefragt, wie ich denn von A nach B kommen kann. Antwort: „Ja, da kannst du viele Busse nehmen. Z.B. die Nummer 29 in Richtung Miraflores. Das ist meistens so ein kleiner Bus mit blauen Streifen.“ So weit, so gut! Zusätzlich muss man natürlich wissen, wo der Bus herfährt. Dann stellt man sich einfach an die Straße, wartet darauf, dass der Bus kommt und winkt. Erster Haken: Ich habe die (kleinen) Zahlen auf den Bussen erst entdeckt, als diese schon an mir vorbeigerast sind (weil die Zahl an der Seite und nicht vorne steht…). Zweiter Haken: Es stand immer die Richtung Chorillos drauf, was im Prinzip meine entgegengesetzte Richtung ist. Also habe ich mir gesagt, dass Nummer und Richtung zu nix führen. Deswegen habe ich mich an den Cobradores orientiert: Das sind diejenigen, die während der Fahrt aus der offenen Bustür heraushängen und die unterschiedlichen Ziele der Fahrt hinausschreien. Sobald ich also etwas Bekanntes gehört habe, habe ich gewunken und konnte einsteigen. Dann ging die Achterbahnfahrt los, es wird ordentlich Gas gegeben und ja nicht zu früh gebremst… Zum Aussteigen sagt man dem cobrador einfach wieder Bescheid und dann wird man dort rausgelassen, wo man hinmöchte. Nix mit Haltestellen o.ä. Eine Fahrt kostet übrigens 1Sol, was ca. 25Cent sind.

Nächstes (ähnliches) Thema: der Verkehr. Dass hier jeder so fährt, wie er will und Zebrastreifen nix mehr als Straßendeko sind, ist kein Geheimnis mehr. Aber, wie oben schon erwähnt, habe ich mittlerweile ein System im Chaos, genauer gesagt beim Hupen, entdeckt. Es gibt dabei verschiedene Kategorien:

–          Hupen aus Prinzip: wenn mir irgendwas nicht passt, der Bus gefährlich nahe kommt, der Vordermann zu langsam fährt oder ich es eilig habe, hupe ich, auch wenn ich weiß, dass sich dadurch nix ändert

–          Hupen als Antwort: Wenn ich angehupt werde, hupe ich freundlich zurück

–          Hupen als Verkehrsregel: Wird verwendet, um die Spuren zu wechseln, um sich selbst Vorfahrt zu gewähren oder um andere zu warnen, wenn man auf eine leere Kreuzung zufährt.

–          Hupen als sozialer Kontakt: Freunde und Bekannte möchten natürlich gegrüßt werden.

–          Hupen auf deutsche Art: In Deutschland hupt man nur böse (finde ich). Wenn ich in Deutschland angehupt werde, weiß ich, dass der Mercedes hinter mir schon auf 180 ist. Hier gibt es auch das böse Hupen, bspw. wenn einer versucht auf einer vierspurigen Straße 3m vor der Kreuzung doch noch versucht von ganz links nach rechts abzubiegen (und das sogar schafft…). Dann wird von allen drei anderen Spuren fleißig gehupt, der Abbieger hupt als Antwort zurück und damit hat sich die Sache.

Auch schön (und am Dienstag noch gesehen) ist, wenn es keinen Blinker gibt. Dann wird einfach auf der linken Seite der Arm rausgehalten, damit der Hintermann weiß, dass es nun nach links geht. Ist natürlich auf der rechten Seite etwas schwieriger, weswegen dort (mal wieder) die Hupvariante gewählt wird.

Am Sonntag bin ich übrigens das erste Mal überhaupt in Peru Auto gefahren!! Bisher hatte ich mich nie getraut bzw. hatte auch nie die Möglichkeit dazu. Sonntag war es dann aber so weit: Ich wurde gefragt, ob ich fahren kann und will, ich sagte ja und ja, schon saß ich hinterm Steuer und ich bin stolze 40 Minuten durch Lima gedüst:-)! Da Sonntag war, war aber nicht so viel los auf den Straßen, so dass ich mich wirklich gut geschlagen habe.

Noch eine interessante und zugleich sinnvolle Sache: In jedem peruanischen Perso und in jedem Führerschein werden zwei besondere Dinge angegeben, die es bei uns nicht gibt: Zum Einen ist die eigene Blutgruppe eingetragen, zum Anderen muss jeder eine Angabe darüber machen, ob er im Falle seines Todes seine Organe spenden würde. Die Diskussion, die derzeit in Deutschland geführt wird, ob und wenn ja wie jeder Einzelne sich dafür oder dagegen entscheiden sollte, gibt es hier also gar nicht. Ich halte beide Angaben für sehr sinnvoll, was spricht in Deutschland dagegen so etwas auch einzuführen und im Perso einzutragen?! Oder gibt es das sogar schon in den neuen Persos?

So, jetzt habe ich hier schon einiges geschrieben und mit keinem Satz erwähnt, dass es mir sehr gut geht und ich mich pudelwohl fühle. Perus Hauptstadt hat mir ihre schöne Seite gezeigt: Bei rund 26 Grad habe ich zum ersten Mal sogar Limas blauen Himmel und die Sonne gesehen und ein paar sehr schöne Ecken dieser riesigen Stadt kennengelernt. Fast würde ich sogar sagen, dass es mir schwer gefallen ist Lima wieder zu verlassen… Am Dienstag bin ich nämlich nach Piura in den Norden Perus geflogen. Dort befindet sich die Fairtrade Kooperative Cepicafe, bei der ich die nächsten 7 Monate arbeiten werde. Neben Kaffee, Zucker und Kakao erwarten mich schwülwarme 32 Grad und ein interessantes Tourismusprojekt! Ich bin gespannt!

Hasta luego!

Ps.: Noch eine Sache: Die Peruaner sind fußballverrückt! Wie oft ich in den letzten 7 Tagen über Farfán, Guerrero und Pizarro gesprochen habe, weiß ich schon nicht mehr… Habe außerdem gerade beim Mittagessen meine erst Wette abgeschlossen: Am 19. Mai spielt anscheinend Bayern gegen Chelsea in der Championsleague. Ich sage, dass Bayern gewinnt, Aris sagt, dass Chelsea gewinnt. Wetteinsatz: 5 Cuzqueñas (das beste Bier in Peru). Ich bin gespannt auf die nächste Wette: am 3. Juni spielt Peru gegen Kolumbien in der WM-Qualifikation für Brasilien 2014;-)…

Listo, Meike vuelve!

Es geht los, 8 Monate nach Piura in Peru!