Was in Peru toll ist
– Die Musik: Die Musik klingt immer sehr fröhlich, rhythmisch und einfach lebendig. Wenn man einmal auf den Text achtet, fällt zwar auf, dass in jedem zweiten Satz „corazón“ oder „amor“ vorkommt und die Lieder im Prinzip nur von verlorener Liebe und gebrochenen Herzen handelt, aber nun gut, ist halt so. Die beliebtesten Musikrichtungen sind Cumbia, San Juanera, Tropicales, Huaino oder Salsa und die zwei Gruppen, die rauf und runterlaufen sind „Corazón serrano“ und „Sensual Karicia“ (falls es mal jemand bei youtube suchen möchte;-)). Für mich klingt alles gleich (oder ähnlich), aber das darf ich nicht laut sagen;-). Hab auf jeden Fall schon meine Favoriten, die hier zwar IMMER gespielt werden, die ich aber auch immer wieder hören kann: „Lejos de ti“ (Weit weg von dir) und „El pañuelito“ (das kleine Taschentuch).
– Alle können tanzen: Und mit alle meine ich alle! Sei es der kleine Dreikäsehoch, der gestern aus dem Pampersalter rausgekommen ist, bis hin zur 85jährigen, die elegant im schwarzen Kleid und Flip Flops (ALLE tragen hier Flip Flops) das Tanzbein schwingt (und dabei mehr Rhythmusgefühl zeigt als ich…). Alle können tanzen und alle wollen tanzen. Dabei tanzt man aber nie in einer Gruppe so wie bei uns, sondern immer paarweise. D.h. der Mann fordert die Frau zum tanzen auf. Und nein sagen darf man nicht…
– Bier und Biertrinktraditionen: Bier ist ein ganz großes Thema in Peru (fast so groß wie Fußball). Ist nun „Cristal“ oder „Cusqueña“ das beste Bier? Und WIE trinkt man Bier hier? Bei uns hat jeder seine Flasche und manchmal ein Glas dazu. Hier ist’s anders: Es gibt 1 Bier (660ml) und 1 Glas für alle. D.h. man ist in einer Gruppe unterwegs, der erste hat die Flasche und das Glas und gießt sich ein bisschen ein. Er reicht die Flasche an den nächsten weiter, prostet ihm zu, trinkt sein Glas in einem Zug aus, kippt den Rest auf den Boden für Pachamama (Mutter Erde) und reicht das Glas weiter. So geht die Flasche durch die Runde und alle teilen sich die Flasche und das Glas. Wenn die Gruppe klein ist, wirkt das Bier natürlich schneller;-).
– Parties: Die (Privat-)Parties laufen alle gleich ab. Zuerst sitzen alle brav in einer Art Stuhlkreis im (sonst leeren) Wohnzimmer, die Musik ist schon auf ohrenbetäubend eingestellt, aber noch bewegt sich keiner. Dann gibt es etwas zu essen, für jeden eine Riesenportion (mit zu 99%) Hühnchen und Reis. Anschließend beginnt das Bier oder auch andere Getränke (Pisco, Coctéil (wird wirklich so geschrieben!)) seine Runde zu machen. Nach der dritten Runde stehen alle so nach und nach auf und es wird getanzt und getanzt und getanztJ…und das Bier wird weiter rumgereicht;-).
– Die Sprache: Spanisch ist nicht gleich Spanisch! Nachdem ich ja schon 2007 ein halbes Jahr in Cajamarca (auch Peru!) war, dachte ich, dass mein Spanisch gar nicht so schlecht ist. Aber hier wird nochmal ganz anders gesprochen. An der Küste in Piura viel viel schneller und in Montero zwar langsamer (und sehr schön und deutlich), aber mit vielen anderen Ausdrücken. Ich glaube kaum, dass man in Spanien eine „chela“ (ein Bier) bestellen kann oder man morgens zur „chamba“ (Arbeit) geht. Und alles wird immer verniedlicht, d.h. es wird ein –ito oder –ita an das Wort gehängt. So gibt es papitas fritas (kleine Pommes) für den hijito (kleinen Sohn) und zum Abschied sagt man sich „Hasta lueguito“ (Bis baldchen?!). Mittlerweile bin ich drin und mein Spanisch kann sich ganz gut sehen lassen. Wobei ich immer noch Probleme habe, den Unterscheid zwischen „caro“ und „carro“ zu betonen, weil mein rollendes r dort anfängt zu streiken;-).
Was in Peru anstrengend ist
– Die Taxifahrten von Piura nach Montero oder zurück: Normalerweise fahre ich mit einem Taxi-Colectivo, d.h. es ist ein fester Fahrer, der immer täglich die gleiche Strecke hin und zurück fährt. Ich rufe ihn an und frage, ob er für den nächsten Tag noch einen freien Platz hat. Dann werde ich dort abgeholt, wo ich bin und werde auch am Zielort dort abgesetzt, wo ich hinmöchte. 3 Stunden Fahrt, Kosten: 20 Soles. Klingt eigentlich nicht schlecht, funktioniert aber so nicht immer reibungslos. Die Taxifahrer kommen zu spät, zu früh (ja, das hat mich auch gewundert, dass das in Peru vorkommen kann) oder gar nicht. Wenn sie gar nicht kommen, ist es natürlich sehr ärgerlich. Noch ärgerlicher ist es aber, wenn man den Taxifahrer dann anruft und er entweder nicht antwortet oder sein Handy ausgeschaltet hat… Die Anzahl der Leute in einem Taxi variiert auch leicht. Mein Highlight war: der Fahrer und zwei Fahrgäste vorne (der Platz auf der Handbremse ist Standard und verdammt unbequem), vier Leute auf der Rückbank plus ein Kleinkind auf dem Schoß, viel (!) Gepäck und ein lebendiges Schwein im Kofferraum;-)!
– Die Spinnen: Jetzt ist es nicht mehr ganz so schlimm, wie noch im Mai oder Juni, als die Regenzeit noch nicht vorbei war. Aber im Mai, als es noch geregnet hat, waren alle Strommasten voll mit Mega-Spinnnetzen und rund 30 Spinnen, die alle locker so groß wie ein Golfball waren und dick und schwarz… Hab jedes Mal eine Gänsehaut bekommen, wenn ich an so einem Spinnennetz vorbei oder drunter her gegangen bin. Mehr Spinnen gibt es in den Feldern. Und da ich ziemlich viel mit Kaffee, Zuckerrohr und Kakao zu tun habe, begegne ich auch dort den Spinnen. „Die tun doch nix. Nimm sie einfach in die Hand und setz sie woanders ab“, höre ich dann. Nee, nix da, von wegen in die Hand nehmen. Ich bin froh, dass ich mich beherrsche und nicht schreiend weglaufe (wobei ich wahrscheinlich nach 10m im nächsten Netz lande;-)…). Spinnen gehören also noch auf die Liste der Sachen, an die ich mich noch gewöhnen muss.
– Das peruanische Fernsehprogramm: Dass ich kein ausgeprägter Fernsehjunkie bin, ist kein Geheimnis. Aber das Fernsehprogramm in Peru und die Fernsehvorlieben der Peruaner sind einfach grausam:
1. Telenovelas. Quasi unsere Soaps, nur noch schlechter. Alles handelt immer von lügen, betrügen, Geld und Sex. Nicht umsonst heißt eine Sendung „Sin tetas no hay paraíso“ (Ohne Titten gibt es kein Paradies)…
2. „wissenschaftliche“ Sendungen, die über Außerirdische berichten. So wurden die Nazca-Linien im Süden Perus und die Paläste und Tempel der Inka wohl von friedlichen Außerirdischen errichtet… Und Hitlers arische Rasse soll wohl auch von nem anderen Planeten gekommen sein. Aha!
– Peruanische Unzuverlässigkeit: Wenn man rumreist, ist die peruanische mañana-Mentalität super angenehm. Das Leben ist relaxter, stressfreier und lockerer. Bei der Arbeit wünsche ich mir aber ab und zu ein bisschen mehr Organisation, Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit (wenn sogar ICH das schon sage…). Z.B.: Wir sind in Montero abends um 18Uhr verabredet, um etwas für die Herberge zu besprechen. Um halb sieben rufe ich an. Keiner nimmt ab. Um sieben Uhr probiere ich es noch einmal und es geht jemand dran: „Oh es tut mir leid, ich habe das Taxi verpasst und bin noch in Piura.“ – ?!?!?! Warum zum Henker wird dann nicht Bescheid gesagt?? Mittlerweile wissen aber die meisten, was ich von dieser Unzuverlässigkeit halte. Sie sind dann nicht unbedingt pünktlicher, aber melden sich immerhin, wenn sie gar nicht oder erst später kommen können.
– Mobile Obststände: Ungelogen: Morgens, um 6.30Uhr fährt fast jeden Morgen ein mobiler Obststand direkt an meinem Zimmerfenster vorbei. Dieser Verkäufer hat eine Art Fahrrad mit grooooßem Korb vorne, wo alles Mögliche drauf ist…zurzeit sind Orangen, Mango und Ananas sehr beliebt. Woher weiß ich das? Weil der gute Mann eine Tröte und ein Megaphon dabei hat, womit er lautstark sein Obst anpreist. Ich betone: Um 6.30Uhr regelmäßig morgens vor meinem Fenster!!
Was mich an Peru fasziniert
– Das Zusammenleben zwischen Mensch und Tier: In Montero hat jeder Haustiere. Jedoch nicht so wie bei uns, das süße Meerschweinchen, die unspektakuläre Schildkröte, der treue Hund. Sondern Tiere, die einen Nutzen haben: Der Hund passt auf das Haus auf, die Katze hält die Ratten fern, der Esel transportiert den Kaffee vom Feld zur Weiterverarbeitung, das Huhn legt Eier oder bekommt Küken, die alle irgendwann in der Pfanne landen. Und alle leben zusammen. Die Hühner laufen tagsüber durch den Garten und nachts kuscheln sie sich im Wohnzimmer hinter den lautstarken Fernseher und schlafen dort. Interessant war auch der Moment, wo ich unwissend in die Küche kam, wo gerade dem Hahn die Kehle durchgeschnitten wurde. Das Blut tropfte in die Schüssel („Ein sehr nahrhafter Teil.“) und der Körper zappelte noch…da hat das Stadtkind in mir kurz innerlich aufgeschrien. Ihn gab’s dann abends zum Geburtstagsessen, zusammen mit Reis und Gemüse aus dem Garten, lecker!
– Kenntnisse über die Natur: Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich unwissend durch Montero laufe. Ich bin stolz darauf, dass ich mittlerweile weiß, wie Kaffee-, Zuckerrohr-, Kakao-, Papaya-, Limetten-, Mango-, Maracuja- und Kaktusfeigenpflanzen aussehen. Es gibt aber soooo viel mehr. Wenn wir einen Spaziergang durch die Gegend machen, sehe ich am Wegesrand Pflanzen, die für mich in die Kategorie Unkraut gehören. Dann wird mir aber erklärt, dass es gegen Magenbeschwerden hilft. Das Pflänzchen daneben ist gut für die Nieren und nebenan finden wir noch was gegen Grippe. Während ich immer noch auf Medikamente der Apotheke schwöre, halten viele Monterinos nicht viel davon und brauen sich ihren eigenen Tee. Als ich Anfang Juni einmal krank war, durfte ich eine solche Mischung mal probieren: Es war grau, trüb, mit Stückchen und roch nach einem Mix aus Heu und Panela…schmeckte auch so. Etwas skeptisch habe ich es getrunken…und am nächsten Morgen waren Fieber, Unwohlsein, Gliederschmerzen und Schüttelfrost wegJ!
– Das Kälteempfinden: Wir sind hier in einer Region, in der es selten kälter als 15 Grad wird. Die Jahresdurchschnittstemperatur liegt eher bei 25 Grad. Somit ist für alle Piuraner alles, was unter 20 Grad ist, „kalt“ und dann wird sofort der dicke Pulli, Schal und lange Hose ausgepackt. Anscheinend habe ich mich schon zu sehr an die Wärme Piuras gewöhnt, denn auf der Reise durch Südperu und Lima mit blauem Himmel und Sonnenschein pur habe ich mich doch glatt erkältet. Die (interessante) Erklärung für das Entstehen meiner Erkältung meiner Gastmutter war: „Das kommt bestimmt vom kalten Bier und vom Joghurt, den du gestern gegessen hast.“ 😉
– Wie fit alle Leute sind. In den Städten sind die Peruaner eher gemütlich und dementsprechend ein bisschen pummelig. In Montero hingegen arbeiten die Leute körperlich hart und sind dementsprechend drahtig durchtrainiert. Und sie haben eine bewundernswerte Kondition. Ob alt, ob jung, sie laufen die Berge zu den Feldern hoch, als ob es nur 400m im Stadion sind. Während ich fertig und schwitzend oben ankomme, hat der 80jährige schon den Esel beladen und ist bereit wieder nach unten zu laufen…
– Sandbewässerung: In Piura wohne ich in einem Stadtviertel, in dem es keine asphaltierte Straße gibt, sondern nur Sand. Oft habe ich gesehen, wie morgens die Leute vor ihren Häusern stehen, mit einem Wasserschlauch in der Hand, und den Sand bewässern. Auf Nachfrage wurde mir erklärt, dass es gemacht wird, „para que no se levante el polvo“, damit der Staub nicht umherweht. Nun gut, aber bei der Hitze und der Sonne ist der Sand vielleicht ne dreiviertel Stunde nass und dann wieder staubig wie vorher. Das System hab ich also noch nicht ganz gecheckt.
– Hausbau: In Deutschland baut jemand ein Haus oder kauft eine Wohnung nach dem Sinne „ganz oder gar nicht“. Hier baut man nach dem Motto „wir fangen mal an“. Das ist der Grund, warum überall halbfertige Häuser stehen. Z.B. meine Gastfamilie in Piura: Als sie vor 15 Jahren nach Piura kamen, haben sie das Grundstück und das „Haus“ gekauft. Es bestand aus zwei Räumen (Schlaf- und Wohnzimmer) und einem Bad. Die Küche war draußen, provisorisch. Immer, wenn durch die Arbeit oder durch die Ernte ein bisschen Geld übrig war, haben sie ein bisschen angebaut. Erst eine überdachte Küche, dann ein weiteres Schlafzimmer, dann ein Esszimmer, dann eine zweite Etage etc. Nach 15 Jahren ist das Haus riesig, es gibt eine Garage, große Küche, Wohnzimmer, Esszimmer, Flur, Waschraum, 6 Schlafzimmer, zwei Rumpelkammern und 4 Badezimmer. Eine weitere kleine Küche und ein Schlafzimmer werden zurzeit gebaut.
– Tante Emma Läden: …in denen ALLES einzeln verkauft wird! EINE Rolle Klopapier, DREI Zigaretten… Das Gleiche ist in Apotheken: Du gehst in die Apotheke, beschreibst dein Problem und bekommst dann nicht eine Packung Paracetamol oder ein Päckchen Pflaster in die Hand gedrückt, sondern zwei Tabletten oder 5 Pflaster, halt so viel, wie du brauchst! Gewöhnungsbedürftig, aber praktischJ!
– Spitznamen: Bei uns bekommen Leute meist einen Spitznamen, der sich auf den eigentlichen Namen bezieht. Also entweder nimmt man einfach den Nachnamen oder der Vorname wird abgekürzt. Hier beziehen sich Spitznamen immer irgendwie auf das Äußere. Einer, der nur 1,60m groß ist, wird „Chato“ (Kleiner) genannt. Einer mit asiatischen Vorfahren, ist immer der „Chino“ (Chinese). Und ich mit heller Hautfarbe und grünen Augen, bin die „Gringa“, was eigentlich ein Ausdruck für die Amis ist, aber nun gut… Spitznamen mit Tieren kommen auch vor, so wurden mir schon „Mono“ (Affe) und „Pájaro“ (Vogel) vorgestellt.;-)…
– Vegetarier: Fleischloses Essen gibt es in Peru nicht. Hühnchen mit Reis ist Standard, gerne auch mal morgens, mittags, abends (ja, auch morgens). Das Verständnis für Vegetarier lässt sich in einer Geschichte ganz gut erkennen: Wir sind in einem Restaurant und fragen die Kellnerin, ob sie auch ein vegetarisches Essen, also ohne Fleisch zubereiten können. Antwort: „Ja, kein Problem. Wir hätten da Hühnchen, Schwein oder Ente.“ 😉